Nach dem Erfolg des Prototypen „Stau in der Sackgasse“ im Vorjahr wagte die Filmhaus-Crew einen erneuten Kurzfilmwettbewerb auszurufen.

In diesem Jahr lautete das Thema „Typisch Deutsch“: „Muttertag im Lichtwerk: zu Knödel, Dickebohnen und Speck fliegen die Sektkorken…“ titelte das Bielefelder StadtBlatt zur Aufführung im überfüllten Lichtwerk.  Passend zum Thema gab es auch wieder eine Kunstausstellung im Kinofoyer, zu der uns Gastkünstler Pip Cozens folgende Wünsche ins Gästebuch eintrug: „Gutten Appetit you Wurst Fuckers. Dein kleine Rotsloffel.“

Bilderbeben "Typisch Deutsch" 1991 mit Hennink Stöve, Oliver Beckdorf, Pietro Scanzano und Birgit Hein

Bilderbeben „Typisch Deutsch“ 1991 mit Hennink Stöve, Oliver Beckdorf, Pietro Scanzano und Birgit Hein

In der Filmhaus-Jury saßen in diesem Jahr Birgit Hein (Experimentalfilmerin), Jürgen Heckmanns (Filmdozent) und Pietro Scanzano (Physikdozent). Für den WDR votierten Gabriele Spitzer und Gerd Niehaus.

Gewinner:

1.Platz: „Deutschland Halluzination“
(Oliver Becker)

2.Platz: „Deutschlandreise II“
(Ulrich Sappock)

3.Platz:„Betrifft“
(Holger Neu, Inga Schön)

WDR-Preisträger: „Mooment mal“
(Friedhelm Sonderhoff, Jörg Großejohann)

Publikumspreis: „Der Wilderer“
(Henning Stöve, Oliver Beckdorf)

Das zweite Bielefelder Film&Musikfest der F.W. Murnau-Gesellschaft zeigte an zwei Tagen im Oktober 1991 Stummfilme mit Live-Musik.

Neben dem Südseedrama „Tabu“ von F.W. Murnau,  gab es mit „Metropolis“ wieder einen Film von Fritz Lang als Ergänzung . (Musik: Trioglyzerin).  Zu „Tabu“ spielte die Sinfonietta Düsseldorf unter der Leitung von Mark Andreas Schlingensiepen die neukomponierte Musik von Violetta Dinescu.  Die Filme liefen im Atrium-Filmtheater, einem der vielen Bielefelder Kinos, das längst nicht mehr existiert…

 

Bei den Medienkunsttagen Intercom II vom 31.8. bis 22.9.1991 waren die Acts auf verschiedene Locations innerhalb Bielefeld verteilt.

Medienkunst spielte sich ab im Theaterhaus Feilenstraße, in der Galerie David, im Kino Lichtwerk, im Historischen Museum Bielefeld und es gab Open Air Performances im Innenhof bei Artists Unlimited. Der Schwerpunkt lag auf multimedialen Performances, wobei die Mischung und Neukonstruktion alter und neuer Medien charakteristisch war. Die Österreicherin Zorah Mari Bauer nutzte Synthesizer, Video und Stimme; Kain Karawahn arbeitete mit Film und Feuer. Weitere mitwirkende Künstler waren Andreas Klatt, Helmut Lemke, Holger Neu, die Gruppe Lichtklang, Owen O’Toole und Claus van Bebber. Das Bielefelder Stadtblatt titelte: „Letzte Reservate der wilden Kommunikation“.

Unter dem von Antonioni entlehnten Motto „Blow up“ laden Filmhaus und Lichtwerk am 31. August 1991 zur großen Sommerparty ein. Gefeiert wird mit Film, Livemusik und Getränken auf dem Hofgelände an der August-Bebel-Straße.

Die Disco findet im Filmhaus statt. Das Filmhaus-möchte mit dem Erlös dieser Benefiz-Party die Filmkultur in der Region unterstützen und auf seine Aktivitäten aufmerksam machen. Mehr zur Filmhausparty [hier…]

Die „Blow Up“-Party ist übrigens auch Auftakt zu den Medien-Kunst-Tagen INTERCOM. Auf dem Party-Programm stehen der stumme Gruselschocker „The Cat & the Canary“ mit Live-Sounds von Helmut Lemke, die „Beckett-Katastrophe“ der multimedialen Gruppe um Andreas Klatt (Claudia Brachmann, Birgit Essling, Ricarda Süllwald) und der Stand up-Comedian Andreas Liebold mit seiner Figur „Horst Stellbrink“. Zum Tanz auf dem Vulkan laden die DJs Christina und Acka. Dazu werden schwer entflammbare Bier- und Weingetränke garniert mit Schmalzbroten serviert.

WestfalenBlatt vom 3. September 1991

Das Filmhaus realisiert 1991 zwei Kinospots für das Stadtreinigungsamt auf 35mm im Kinoformat, die zu mehr Umweltbewußtsein ermuntern sollen.

Gedreht wurde u.a. in einer Bürgervilla an der Dornberger Straße mit zwei Polizeibeamten des SEK. Die beiden Filme bekommen in den Kinos eine gute Publikumsresonanz; andere Städte übernehmen die Spots in ihre Öffentlichkeitsarbeit. Im Aufnahmeteam sind Raimond Goebel, Jürgen Koeppke, Jürgen Rzepka, Stefan Schmidt, Sabine Riedel, Ronald Herzog u.a.

„Elf Stunden im April“ ist der Titel des ersten abendfüllenden Spielfilms, der im Filmhaus entstand. Unter der Regie von Stephan Perdekamp spielten Heike Trinker, Jon Matthes, Bernd Jäger van Boxen, Horst Schäfer u.v.a. in einem Thriller, der seinen Ausgangspunkt in einem mysteriösen Todesfall an der Sparrenburg hat.

Stephan Perdekamp schrieb auch das Buch, das er mit viel Lokalkolorit anreicherte. Raimond Goebel zeichnete für die Kamera verantworlich; gedreht wurde mit einer Arri 16mm BL. Die Musik komponierte Jürgen Köpke. Im Frühjahr 1991 feierte der Film seine Welturaufführung im Filmhaus-Kino „Lichtwerk“.

Elf Stunden im April Dreharbeiten

Elf Stunden im April Dreharbeiten auf dem Johannisberg


Dreh mit Stephan Perdekamp (Regie), Jürgen Rzepka (Produktionsassistenz), Raimond Goebel (Kamera), Michael Pielecki (Ton)


Elf Stunden Lichtbestimmung mit Heike Trinker

Elf Stunden Lichtbestimmung mit Heike Trinker


Szenenprobe Elf Stunden im April

Szenenprobe Elf Stunden im April

Nach Eric Rohmer wird am 10.3.1991 mit Wim Wenders als zweitem Bielefelder Murnaupreisträger ein Autorenfilmer ausgezeichnet, dessen Werke, „von cineastischer Raffinesse geprägt“, im „Lichtwerk“ immer wieder gezeigt wurden. Vom 7. bis 24. März veranstaltete das Filmhaus unter dem Titel „Nirgendwo Zuhause“ ein umfangreiches Rahmenprogramm zu Ehren des Preisträgers.

In der Galerie „Artists Unlimited“ war die Fotoausstellung „Schauplätze“ (1988 vom Deutschen Filmmuseum Frankfurt erstmals gezeigt) zu sehen. Natürlich wurden auch eine Reihe Filme von Wim Wenders gezeigt, wie z.B. „Summer in the City“, „Alice in den Städten“ und „Im Lauf der Zeit“. Besonders eindrucksvoll war Wenders‘ Vorstellung seiner schwarz-weißen Kurzfilme „Silver City“, „Same Player Shoots Again“, „Alabama  2000 Light Years“ im stickig-vollen Lichtwerk.Die Aufführung seines ersten langen Spielfilm „Summer in the City“ kommentierte Wenders wie folgt: „Das ist das zweite Mal, dass ich bei einer öffentlichen Vorführung dieses Films dabei bin, und ich muss sagen, so viele Leute haben ihn noch nie gesehen.“ Vor rund 20 Jahren habe er den Film in Berkeley in Kalifornien gezeigt. „Es waren acht Leute und ein Projektor da. Nach jedem Akt gab es eine kleine Pause, weil der nächste eingelegt werden musste. Nach der ersten Rolle waren es nur noch vier Leute, bei der sechsten und letzten Rolle war ich allein. Zum Schluss gab es noch eine blanke Leinwand, und als ich im Vorführraum nachsah, war der Vorführer auch weg.“

Wim Wenders bekam allerdings auch eine „carte blanche“ und wünschte sich Scorseses „Raging Bull“. Ins Stammbuch schrieb er: „Schönes kleines Kino, gute Luft (zumindest am Anfang des Films). Alles Gute für die Zukunft.“ (Zu dieser Zeit verfügte unser Kino über keinerlei Belüftungsanlage…) Zum Gästebuch [hier…]

Wim Wenders im Lichtwerk-Gästebuch 1991

Wim Wenders im Lichtwerk-Gästebuch 1991

Schließlich wurde auch mit Wenders diskutiert. Ein Symposium beschäftigte sich am 9.3.1991 im Lichtwerk mit der Lage des Autorenfilms. Titel der Veranstaltung: „Der Autorenfilm heute – Medium der Selbstverwirklichung oder selbstgewähltes Gefängnis?“ Auf dem Podium waren Norbert Grob, Frieda Grafe, Claudia von Alemann, Klaus Kreimeier, Karsten Witte, Jan Berg und natürlich Wim Wenders vertreten.

Wim Wenders mit Karsten Witte im Lichtwerk 1991

Wim Wenders mit Karsten Witte im Lichtwerk 1991

Frieda Grafe schrieb uns damals ins Stammbuch: „Sie retten das Kino“. Und das taten wir auch.

 

Im Jahr 1991 übernehmen Barbara Witych und Regina Latyschew die Geschäftsführung des Vereins Filmhaus Bielefeld. Sabine Schroeder ergänzt den dreiköpfigen Vorstand. Raimond Goebel und Christel Heermann sind aus dem Vorstand ausgeschieden.