Filmhaus im Bielefelder Osten? Das war 1992 für viele Filmbegeisterte eine unbekannte Größe. Einen ungleich höheren Bekanntheitsgrad erreichte unser Filmhaus-Kino „Lichtwerk“ mit um die 20.000 Besuchern in diesen Jahren.

Dass sich hinter den ehemaligen Fabrikmauern neben dem Kino auch eine reichhaltige Filmwerkstatt verbarg, war nicht so vielen bekannt. Umgekehrt nutzte das Filmhaus aber immer wieder sein Kino für seine Öffentlichkeitsarbeit und machte es zum Schauplatz vieler Projekte. Der Verweis auf das kleinste Kino der Stadt öffnete bei so manchen filmkulturellen Anliegen die Herzen und dann auch die Türen.

Die Filmhausparty „Besonders wertvoll“ war im Sommer 1992 der öffentliche Höhepunkt der Feierlichkeiten zum 10jährigen Jubiläum des Vereins.

Am 4. Juli öffneten sich an der August-Bebel-Straße die Tore zur Sommerparty auf dem Hofgelände. Den Auftakt bildete das Duo Markus Schwartze (Flügel) und Thomas Schweitzer (Saxophon) mit der Begleitmusik zum Stummfilmen „The Cowboy“ von und mit Buster Keaton. Danach übernahm Helmut Lemke das musikalische Zepter und zelebrierte in einer Performance voller Überraschungen die Geräuschkulisse zum Stummfilm „The Boxer“ ebenfalls Buster Keaton“. Im „Lichtwerk“ traten Oliver Kalkofe und Dietmar Wischmeyer mit einem Comedy-Programm auf. Im Filmhaus-Seminarraum gab es die Performance „Beat-Re-Beat“ des Videokünstlers Adam Boome zu erleben. Getanzt wurde auch. Und zwar zur Musik von DJ Acka und das bis in die frühen Morgenstunden hinein.

Filmhausparty mit Helmut Lemke

Filmhausparty mit Helmut Lemkes Geräuschorchester


Partyeinlass

Partyeinlass: Strenge Tür mit Maria und Verena


Schwartze und Schweitzer

Schwartze und Schweitzer


Kaltgetränke mit Liebold Stiegemeyer und Seelig

Kaltgetränke mit Andreas Liebold, Heike Stiegemeyer und Klaus Seelig


Filmhauspartygetümmel

Filmhauspartygetümmel


Ausschank Filmhausparty

Ausschank Filmhausparty

 

Nach Eric Rohmer wird am 10.3.1991 mit Wim Wenders als zweitem Bielefelder Murnaupreisträger ein Autorenfilmer ausgezeichnet, dessen Werke, „von cineastischer Raffinesse geprägt“, im „Lichtwerk“ immer wieder gezeigt wurden. Vom 7. bis 24. März veranstaltete das Filmhaus unter dem Titel „Nirgendwo Zuhause“ ein umfangreiches Rahmenprogramm zu Ehren des Preisträgers.

In der Galerie „Artists Unlimited“ war die Fotoausstellung „Schauplätze“ (1988 vom Deutschen Filmmuseum Frankfurt erstmals gezeigt) zu sehen. Natürlich wurden auch eine Reihe Filme von Wim Wenders gezeigt, wie z.B. „Summer in the City“, „Alice in den Städten“ und „Im Lauf der Zeit“. Besonders eindrucksvoll war Wenders‘ Vorstellung seiner schwarz-weißen Kurzfilme „Silver City“, „Same Player Shoots Again“, „Alabama  2000 Light Years“ im stickig-vollen Lichtwerk.Die Aufführung seines ersten langen Spielfilm „Summer in the City“ kommentierte Wenders wie folgt: „Das ist das zweite Mal, dass ich bei einer öffentlichen Vorführung dieses Films dabei bin, und ich muss sagen, so viele Leute haben ihn noch nie gesehen.“ Vor rund 20 Jahren habe er den Film in Berkeley in Kalifornien gezeigt. „Es waren acht Leute und ein Projektor da. Nach jedem Akt gab es eine kleine Pause, weil der nächste eingelegt werden musste. Nach der ersten Rolle waren es nur noch vier Leute, bei der sechsten und letzten Rolle war ich allein. Zum Schluss gab es noch eine blanke Leinwand, und als ich im Vorführraum nachsah, war der Vorführer auch weg.“

Wim Wenders bekam allerdings auch eine „carte blanche“ und wünschte sich Scorseses „Raging Bull“. Ins Stammbuch schrieb er: „Schönes kleines Kino, gute Luft (zumindest am Anfang des Films). Alles Gute für die Zukunft.“ (Zu dieser Zeit verfügte unser Kino über keinerlei Belüftungsanlage…) Zum Gästebuch [hier…]

Wim Wenders im Lichtwerk-Gästebuch 1991

Wim Wenders im Lichtwerk-Gästebuch 1991

Schließlich wurde auch mit Wenders diskutiert. Ein Symposium beschäftigte sich am 9.3.1991 im Lichtwerk mit der Lage des Autorenfilms. Titel der Veranstaltung: „Der Autorenfilm heute – Medium der Selbstverwirklichung oder selbstgewähltes Gefängnis?“ Auf dem Podium waren Norbert Grob, Frieda Grafe, Claudia von Alemann, Klaus Kreimeier, Karsten Witte, Jan Berg und natürlich Wim Wenders vertreten.

Wim Wenders mit Karsten Witte im Lichtwerk 1991

Wim Wenders mit Karsten Witte im Lichtwerk 1991

Frieda Grafe schrieb uns damals ins Stammbuch: „Sie retten das Kino“. Und das taten wir auch.

 

Zum fünfjährigen Bestehen leistete sich das Kino im Filmhaus eine Generalüberholung. Das Lichtwerk erhielt eine neue Bestuhlung und der Vorführraum wurde technisch mit zwei 35mm Bauer-Projektoren aufgerüstet.

An der Bildgröße konnte leider nichts mehr geändert werden. Zum Jubiläum gab es unter dem Motto „Durch die Wüste“ ein zünftiges Festprogramm von Fritz Lang bis Jean-Luc Godard. Das Motto bezog sich auf die Bestrebungen des Filmhauses in der medial kargen Region ein anspruchsvolles Filmprogramm jenseits des Mainstreams auf die Beine zu stellen. 1990 stellten wir dann auch das Programm auf „täglich“: jeden Tag gab es im Lichtwerk ein bis vier Vorstellungen. Das war natürlich nur mit einem umfangreichen Team zu schaffen, das mit viel Enthusiasmus dem Lichtwerk ein Gesicht verlieh.

Lichtwerk-Team 1990

Markus, Jessica, Frauke, Monika, Jan, Inga, Josh, Carmen


Filmhaus feiert 5 Jahre Lichtwerk

Filmhaus feiert 5 Jahre Lichtwerk mit Christiane Heuwinkel, Regina Latyschew, Renate Röllecke, Matthias Müller, Maija-Lene Rettig


Verena Mund und Volker Höinghaus

Verena Mund und Volker Höinghaus (Lichtwerk-Team)

„Ich habe mich verfehlt“ soll Vincent van Gogh nach seiner tödlichen Schussverletzung gesagt haben. Unter diesem zweideutigen Motto rief das Filmhaus befreundete Künstlerinnen dazu auf, Kunstkommentare zum Werk oder Leben des Malers zu gestalten.

Passend zur Ausstellung zum 100. Todestag van Goghs zeigte das Lichtwerk eine Reihe von Filmen über van Gogh und lud den Filmemacher Christoph Hübner mit seinem Dokumentarfilm „Der Weg nach Courrières“ ein. Im „Lichtwerk“-Foyer waren Arbeiten von Matthias Arndt, Jan Borgstede, Pedda Borowski, Jan Kreft, Kerstin Richter, Hartwig Schwarz uznd Tania Smolka zu sehen.

Paul Gaugin fait visite à Vincent van Gogh

Paul Gaugin fait visite à Vincent van Gogh. Schnitzerei von Tania Smolka und Jan Borgstede

 

Im Jahr 1990 übernimmt Gisela Heise das Finanzwesen des Vereins Filmhaus Bielefeld.

Damit kehren endlich professionelle Verhältnisse auch in diesem Bereich der Filmkultur ein. Die Arbeit von Gisela Heise macht die Unwuchten, Wünsche und Ziele in der Haushaltsplanung des Vereins sichtbar und ermöglicht eine größere Planungssicherheit. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und damit ist auch das Personal im Kino „Lichtwerk“ gemeint, atmen auf, denn nun werden Löhne und Honorare recht zeitnah angewiesen. Die differenzierte Kontenführung ermöglicht Analysen und rechtzeitiges Eingreifen.

Gisela Heise mit Filmhauscrew

Gisela Heise mit Matthias Goßmann, Helmut Lemke, Jörg Erber (2000)

Mit Gisela Heises Kompetenz wird der wichtige Bereich Filmabspiel auch finanziell klar gegliedert und beherrschbar. Mit dem Finanzamt wird das kompliziert-divergente Betätigungsfeld der Filmkultur verhandelt und strukturiert, so dass die verschiedenen Geschäftsbereiche deutlich abgrenzbar und entsprechend steuerbar werden. Gerade in Bezug auf das Lichtwerk ermöglicht die klare Kontierung Anträge bei Filmfördereinrichtungen und die verlässliche Rückzahlung von Krediten für die Ausstattung des „Lichtwerks“. Unter der Ägide von Gisela Heise mausert sich das „Lichtwerk“ von der Studenteninitiative zu einem ernst zu nehmenden gewerblichen Kino, das für sein Jahresfilmprogramm bei Bund und Land Anträge zur Prämierung stellt.

„Schmelzdahin“ waren bei den „Ersten Avantgarde Filmtagen“ (Januar 1989) und beim „Spezialfilm-Festival“ (Dezember 1989) zu Gast im Lichtwerk. Die Bonner Super-8-Experimentalfilmer (1975-1989) wurden den Lichtwerker von der Gruppe „Alte Kinder“ ans Herz gelegt und wiederholt promoted.

Jochen Lempert, Jochen Müller, Jürgen Reble arbeiten mit Found Footage, mit fremdem Filmmaterial, dass sie mitunter neu montieren und (bio-)chemischen Prozessen aussetzen, z.B. bei „Aus den Algen“. Getreu der chemischen Wahrheit, dass der Entwicklungsprozess nie wirklich endet, experimentieren die Filmer auf unterschiedlichste Weise mit dem belichteten Material. Im Gästebuch des Filmhauses hinterließen sie filmische Bruchstücke und ihre Schutzhandschuhe und ruinierten das Buch, denn auch hier setzte sich der Zersetzungsprozess fort. Im Jahr 1988 waren sie mit ihrem Programm „Ein harter Falter“ zu Gast in Bielefeld. Bei diesem Auftritt im Lichtwerk bauten „Schmelzdahin“ eine Projektion quer durch das Kinofoyer und ließen das Material über verwirrend viele von der Decke hängende Spulen laufen. Ein Bild aus „Stadt in Flammen“ ist [hier…] zu sehen. Bei der Performance im Lichtwerk war u.a. bearbeitetes Material aus „Tarantula“ zu sehen.

 

Zweites Kinderfilmfest im Lichtwerk: Nach der Premiere erfolgt Ende August die Neuauflage des Kinderfilmfests mit vielen neuen Filmen für Kinder und medienpädagogischen Aktionen.

Im Vorfeld gab es einen Malwettbewerb für Kinder mit dem Thema „Lieblingsfilm“. Auch einen Preisträger wird es geben, denn eine Kinderjury ermittelt den besten Film im Festprogramm. Organisiert wird das Fest von Petra Wonsowitz, Martina Morre und Christiane Wollin.

 

Unter dem Motto „Ich schau Dir in die Ohren, Kleines!“ lädt das Filmhaus am 19. August 1989 zur Benefiz-Party ein. Gefeiert wird auf dem Hofgelände am Kino „Lichtwerk“ und im Filmhaus.

Geboten wird Open Air Kino auf der riesigen Hauswand (Buster Keatons „Der General“), Disco mit Videoeffekten (DJ Ernie/Forum) und das schwierige Filmquiz. Dazu gibt es kühle Getränke und gute Gespräche bis in den frühen Morgen. Der Erlös kommt der Vereinskasse zugute. Mehr zur Filmhaus-Party [hier…]

Plakatwand zur Filmhausparty 1989

„35mm Moskau“ war der Titel einer Veranstaltungsreihe mit Studierenden und Lehrenden der Moskauer Filmhochschule 1989.

In diesem heissen Sommer gastierten, organisiert von der HdK Kassel, die russischen Filmer mit ihren Filmen im Filmhaus-Kino „Lichtwerk“ und diskutierten mit dem Publikum. Untergebracht war die Gruppe im Gastatelier der Künstlergruppe „Artists Unlimited“. Zu diesem Anlass gestaltete das Filmhaus die Plakatwand des Hauses aufwändig, hängte rote Fahnen an die Fassade und erstellte ein eigenes Plakat, gestaltet von Matthias Arndt.